ANLAGEAUSBLICK Juni 2025

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Markt uneinig: Die Ruhe vor dem Sturm oder das neue Normal?

Trotz zahlreicher, teils widersprüchlicher Aussagen aus dem Weißen Haus zu Handel, Geldpolitik und Geopolitik haben sich die globalen Aktienmärkte im Mai stark entwickelt – besonders in den USA, wo die Märkte besser abschnitten als in Europa. Der S&P 500 konnte dabei fast seine bisherigen Jahresverluste wettmachen. Auf Jahressicht liegt Europa jedoch weiterhin vorn: Italien, Deutschland und Polen verzeichneten Kursgewinne von über 20 %. Diese Zuversicht könnte darauf beruhen, dass viele Investoren glauben, Trump nehme von drastischen Maßnahmen oft wieder Abstand – ein Verhalten, das scherzhaft als „TACO-Trade“ bezeichnet wird („Trump Always Chickens Out“ – Trump macht am Ende doch einen Rückzieher).

Das auffälligste Ereignis im Mai war der starke Anstieg der langfristigen Zinsen – sowohl in den USA als auch weltweit. Normalerweise belastet das risikobehaftete Anlagen, doch die Märkte zeigten sich bislang unbeeindruckt. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen stieg auf über 4,5 %, die der dreißigjährigen sogar auf über 5,15 % – Werte, die zuletzt Ende 2023 erreicht wurden. Der Anstieg erfolgte kurz bevor das Repräsentantenhaus Trumps „Big Beautiful Budget“ verabschiedete, was neue Sorgen über die Tragfähigkeit der US-Staatsverschuldung auslöste. Lange Zeit galt es als unwahrscheinlich, dass die 30-jährige Rendite dauerhaft über 5 % steigen könnte – diese Annahme wird nun auf die Probe gestellt.

Erstaunlich ist, dass der US-Dollar trotz der steigenden Zinsen an Wert verloren hat – ein potenziell beunruhigendes Signal. Zwar wurden einige politische Maßnahmen zurückgenommen, doch die Grundzölle – insbesondere gegenüber China – bleiben hoch, mit durchschnittlichen Sätzen von rund 30 %, deutlich über den Erwartungen. Das erhöht das Risiko einer Stagflation: anhaltende Inflation bei gleichzeitigem wirtschaftlichem Abschwung.

Mit Blick nach vorn könnten Investoren selektiver vorgehen müssen – die Vorstellung, dass die US-Märkte besonders widerstandsfähig sind, wird zunehmend infrage gestellt. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in den USA veranlassen einige Anleger, ihr Engagement dort zu reduzieren und sich stärker auf Europa und Asien zu konzentrieren. Langfristig sind US-Unternehmen stärker von politischen Unsicherheiten und Handelspolitik betroffen, während Europa mit attraktiveren Bewertungen und einer stärkeren Gewinnentwicklung punktet.


BENDURA Anlagepolitik

*inkl. UK und CH

Die Begriffe attraktiv / unattraktiv beschreiben das Renditepotenzial der verschiedenen Anlageklassen. Eine Anlageklasse gilt als attraktiv, wenn ihre erwartete Rendite über der lokalen Cash-Rate liegt. Sie gilt als unattraktiv, wenn die erwartete Rendite negativ ist. Sehr attraktiv / sehr unattraktiv bezeichnen die Einschätzungen des BENDURA Anlagekomitees mit der höchsten Überzeugung. Der Zeithorizont für diese Einschätzungen beträgt 3-6 Monate.


Weltwirtschaft

USA

Die US-Wirtschaft zeigt deutliche Ermüdungserscheinungen: Eine Kombination aus nachlassendem Wachstum und steigender Inflation schafft ein schwieriges Umfeld. Im ersten Quartal des Jahres schrumpfte die Wirtschaft um 0,3 % – der erste Rückgang seit drei Jahren. Zuvor war die Wirtschaft im letzten Quartal 2024 noch um 2,4 % gewachsen. Analysten führen den Rückgang teilweise auf einen sprunghaften Anstieg der Importe vor Inkrafttreten neuer Zölle zurück, was die BIP-Zahlen verzerrt haben dürfte.

Gleichzeitig hat die Inflation spürbar angezogen. Der von der US-Notenbank bevorzugt beobachtete PCE-Index (Personal Consumption Expenditures) stieg von 2,4 % im Vorquartal auf 3,6 %. Diese Kombination aus wirtschaftlicher Abschwächung und steigenden Preisen weckt Sorgen vor einer Stagflation – einem Szenario, in dem die Inflation hoch bleibt, obwohl das Wachstum stockt.

Politische Entscheidungen verschärfen die Unsicherheit zusätzlich. Die Bundesregierung hat tiefgreifende Maßnahmen ergriffen, darunter umfangreiche Entlassungen, Massendeportationen und drastische Kürzungen bei der Finanzierung zentraler Institutionen. Diese Entwicklungen haben bei Ratingagenturen Besorgnis ausgelöst: Moody’s stufte die Kreditwürdigkeit der USA von Aaa auf Aa1 herab – ein Ausdruck wachsender Zweifel an fiskalischer Disziplin und politischer Stabilität. Auch international schlägt sich die Entwicklung nieder: Die OECD hat ihre Wachstumsprognose für die USA im Jahr 2025 von 2,2 % auf 1,6 % gesenkt. Als Gründe nennt sie zunehmende Handelskonflikte und eine schwächere globale Nachfrage. Auch weltweit wird mit einer Abkühlung gerechnet: Das globale Wachstum soll von 3,4 % im Jahr 2024 auf 2,9 % in diesem Jahr zurückgehen.

Europa

Der makroökonomische Ausblick für Europa bleibt fragil, belastet durch schwache Binnennachfrage und Unsicherheit im Zusammenhang mit US-Zöllen. Zwar wuchs das BIP der Eurozone im ersten Quartal um 0,3 %, was auf eine gewisse Widerstandsfähigkeit hindeutet, doch Analysten vermuten, dass dieser Anstieg durch einen Importboom vor Inkrafttreten der Zölle verzerrt wurde.

Neuere Daten zeigen eine Abschwächung: Der Eurozonen-PMI fiel auf 49,5 – ein Hinweis auf rückläufige Dienstleistungen und anhaltende Industrieschwäche.

In Deutschland hingegen verbessert sich die Stimmung: ZEW- und ifo-Indikatoren steigen, gestützt durch Vertrauen in die neue Finanzpolitik. Auch die EU-Kommission meldet positive Signale.

Das Vereinigte Königreich überraschte mit 0,7 % BIP-Wachstum im ersten Quartal, vermutlich begünstigt durch Vorratskäufe vor Zöllen. Dennoch bleibt der britische PMI mit 49,4 im negativen Bereich.

Asien

Das Exportwachstum Chinas hat sich im April verlangsamt, jedoch weniger stark als befürchtet. Die Ausfuhren in die USA gingen im Jahresvergleich um über 20 % zurück – eine Folge der hohen US-Zölle. Gleichzeitig stiegen die Exporte in ASEAN-Staaten und andere Regionen deutlich, was auf eine zunehmende Umleitung des Handels über Drittländer hindeutet.

Um Wachstumsverluste abzufedern, hat Peking neue Förderprogramme aufgelegt und die Geldpolitik gelockert. Zwar wurde im Rahmen eines Abkommens mit den USA eine vorübergehende Senkung zusätzlicher Zölle vereinbart, doch die Handelsbarrieren bleiben höher als zu Jahresbeginn. Daher wird für das laufende Jahr ein leicht geringeres Wachstum erwartet. Unterstützend wirken weiterhin der Umweg über Drittländer und gezielte Konjunkturmaßnahmen.

Allerdings dürfte sich das Wachstum zur Jahresmitte abschwächen – vor allem wegen sinkender öffentlicher Investitionen, ein Muster, das auch in den Vorjahren zu beobachten war.

Das jüngste Zollabkommen ändert wenig an den grundlegenden Streitpunkten: dem Handelsungleichgewicht und der Währungsbewertung. Zudem versucht die US-Regierung, andere Länder zu Exportkontrollen gegenüber China zu bewegen. Doch angesichts Chinas starker Einbindung in asiatische Lieferketten dürfte der Erfolg begrenzt bleiben. Beide Seiten verfolgen weiterhin eine strategische Entkopplung in bestimmten Sektoren – die Spannungen dürften also anhalten und später im Jahr erneut aufflammen.


Aktien

Trotz anhaltender Unsicherheit verzeichneten die Aktienmärkte im Mai deutliche Gewinne. In den USA war es der stärkste Monat seit Ende 2023: Der S&P 500 stieg um über 6 %, der Nasdaq sogar um 9,6 %. Damit machten beide Indizes frühere Verluste wett – gestützt durch eine vorübergehende Entspannung im Handelskonflikt mit China, leicht rückläufige Inflationsdaten im letzten Monat und Zweifel an der Umsetzung aggressiver Zollpläne durch die US-Regierung. Besonders stark zeigten sich Tech-Werte: Tesla legte um 22,8 % zu, Nvidia um 24,1 %. Der „Magnificent Seven“-Index stieg im Mai um über 13 %. Auch der Dow Jones gewann, wenn auch moderater, mit 3,9 %.

In Europa war der Mai der beste Börsenmonat seit 1990. Die Entspannung im US-China-Handelsstreit und starke Unternehmenszahlen sorgten für breite Kursgewinne. Der DAX, Italiens FTSE MIB und Spaniens IBEX stiegen jeweils um über 6 %, während der Schweizer SMI mit +0,9 % zurückblieb. Fünf Monate nach Jahresbeginn dominieren europäische Märkte das globale Ranking – acht der zehn besten Börsen liegen in Europa. Der DAX legte in Dollar gerechnet über 30 % zu, auch kleinere Märkte wie Slowenien, Polen, Griechenland und Ungarn überzeugten.

Der Stoxx 600 liegt 18 Prozentpunkte vor dem S&P 500 – ein Rekordvorsprung, begünstigt durch den starken Euro und expansive deutsche Fiskalpolitik. Der DAX erreichte zuletzt ein Allzeithoch. Die verbesserten Gewinnprognosen stützen die Rally zusätzlich: Große deutsche Unternehmen dürften im zweiten Halbjahr 2025 und Anfang 2026 das Gewinnwachstum in Europa anführen. Frühere Sorgen über US-Zölle haben sich abgeschwächt, und die Erwartungen wurden zuletzt nach oben korrigiert.

Besonders gefragt waren im Mai europäische Industrie- und Finanzwerte, die von der verbesserten Konjunktur- und Zinsdynamik profitierten. Auch defensive Sektoren wie Gesundheit und Versorger zeigten Stärke – ein Zeichen dafür, dass Anleger trotz der Rally vorsichtig bleiben. Zudem flossen in den letzten Wochen verstärkt internationale Kapitalströme nach Europa, da Investoren auf politische Stabilität und attraktivere Bewertungen setzen.

Auch die asiatischen Märkte entwickelten sich im Mai positiv, wenn auch uneinheitlich. Der MSCI Asia Pacific ex Japan legte um 4,9 % zu, während Japans Nikkei 225 um 5,33 % stieg – gestützt durch robuste Unternehmensgewinne und eine stabile Geldpolitik. In Taiwan verzeichnete der Taiex den stärksten Anstieg in der Region, getragen von Tech-Schwergewichten wie Hon Hai, die von der globalen KI-Nachfrage profitieren. Südkoreas Kospi legte ebenfalls zu, begünstigt durch Unternehmensumstrukturierungen und eine Entspannung innenpolitischer Spannungen.

Der Hang Seng in Hongkong zeigte sich volatil: Anleger reagierten empfindlich auf widersprüchliche Konjunkturdaten und Unsicherheiten im Handel mit China. In Indien blieben die Märkte hingegen weitgehend stabil – Nifty und Sensex bewegten sich in einer engen Spanne, da Investoren vor den anstehenden Wahlen und geldpolitischen Entscheidungen abwartend agierten.

Trotz der globalen Börsenrally bestehen weiterhin wirtschaftliche Risiken, politische Unsicherheiten und fragile Anlegerstimmung. Daher bleiben wir bei einer Untergewichtung von US-Aktien und dem US-Dollar.

Chart 1: Wir erwarten, dass die meisten Aktienmärkte außerhalb der Vereinigten Staaten in naher Zukunft relativ besser abschneiden werden. Quelle: ECR-Research, www.ecrresearch.com

Anleihen

Der auffälligste Trend im vergangenen Monat war der starke Anstieg langfristiger Anleiherenditen. In den USA reagierten die Märkte auf Trumps neues Steuergesetz, das die Staatsverschuldung deutlich erhöhen dürfte – allein im letzten Jahr wurden bereits 2 Billionen Dollar aufgenommen. In Kombination mit politischer Unsicherheit verliert der US-Anleihemarkt an Vertrauen als sicherer Hafen.

Auch international steigen die Renditen: In Großbritannien erreichten 30-jährige Anleihen 5,5 %, in Deutschland nähern sich die Zinsen Niveaus der Eurokrise, und in Japan wurde ein Rekordwert von 3,2 % erreicht. Während in den USA Defizitsorgen dominieren, treiben in Europa und Asien Inflation und staatliche Ausgaben die Entwicklung.

Ein weiterer Faktor ist die sinkende Nachfrage nach Langläufern – bei hohen Zinsen sichern sich Investoren lieber bestehende Erträge. Historisch haben solche Renditen oft zu Kursrückgängen an den Aktienmärkten geführt. Noch bleiben die Märkte ruhig – doch das könnte sich ändern.

Nach einem Rückgang im April sind die Renditen langfristiger Schweizer Staatsanleihen im Mai wieder leicht gestiegen. Im Vergleich zu anderen Regionen fiel dieser Anstieg jedoch sehr moderat aus. Am kurzen Ende der Zinskurve bleiben die Renditen größtenteils im negativen Bereich, und auch 10-jährige Bundesobligationen der Schweiz bieten weiterhin mit Abstand die niedrigsten Renditen weltweit.

Diese Entwicklung unterstreicht die anhaltend starke Nachfrage nach sicheren Anlagen in Schweizer Franken – insbesondere in einem globalen Umfeld, das von Unsicherheit, geopolitischen Spannungen und wachsender Verschuldung geprägt ist. Schweizer Staatsanleihen gelten als besonders stabil und währungsstark, was sie für internationale Investoren attraktiv macht.

Der Nachteil dieser Stabilität ist jedoch das begrenzte Renditepotenzial: Anleger, die in CHF-Anleihen investieren, müssen sich mit sehr niedrigen oder sogar negativen realen Erträgen zufriedengeben. In einem Umfeld steigender globaler Zinsen könnte dies die Attraktivität langfristig etwas schmälern – zumindest für renditeorientierte Investoren.

Chart 2: Kumulierter Staatshaushaltsdefizit in Prozent des BIP. Quelle: BCA Research, www.bcaresearch.com

Rohstoffe & Währungen

Im vergangenen Monat blieben die Ölpreise stabil bei etwas über 60 US-Dollar pro Barrel, nachdem sie zuvor auf Tiefststände von 55 Dollar gefallen waren. Das gestiegene OPEC-Angebot hält mit der wachsenden Nachfrage Schritt. Trotz dieses Gleichgewichts spiegeln die aktuellen Preise bereits viel Pessimismus wider, was auf begrenztes Abwärtspotenzial hindeutet. Deutlich optimistischer sind wir bei Gold: Zentralbanken kaufen derzeit in beispiellosem Tempo – rund 80 Tonnen monatlich, was etwa 8,5 Milliarden US-Dollar entspricht.

Der US-Dollar zeigte im Mai erneut Schwäche: Der Dollar-Index fiel um weitere 0,1 % und liegt seit seinem Hoch im Februar fast 10 % niedriger. Die Unsicherheit rund um Trumps Handelspolitik belastet die Attraktivität von US-Anlagen und wirft Fragen zur Rolle des Dollars als Weltreservewährung auf. Laut Daten der US-Terminmarktaufsicht (CFTC) ist die negative Marktstimmung gegenüber dem Dollar noch nicht extrem – was weiteren Spielraum für Abwertungen lässt. Zusätzliche Unsicherheit bringt die uneinheitliche Haltung der US-Regierung zu EU-Zöllen. Der japanische Yen verlor im Monatsverlauf an Wert, da Zweifel an weiteren Zinserhöhungen durch die Bank of Japan aufkamen und die Volatilität japanischer Staatsanleihen stark anstieg. Der chinesische Yuan hingegen wertete stetig auf, woraufhin die chinesische Zentralbank mit schwächeren Referenzkursen gegensteuerte, um den Aufwertungsdruck zu bremsen.

Wir gehen weiterhin davon aus, dass der aktuelle Bitcoin-Zyklus noch Potenzial hat. Stetige Zuflüsse in börsengehandelte Fonds (ETFs) haben zur Stabilisierung beigetragen. Während Bitcoins Volatilität zu Beginn sechsmal höher war als die von Gold, liegt sie inzwischen nur noch beim Doppelten. Diese Entwicklung könnte zunehmend traditionelle Investoren anziehen und die Kursentwicklung weiter unterstützen.

Chart 3: Volatilitätsprofil von Bitcoin verbessert sich. Quelle: BCA Research, www.bcaresearch.com

Anlageausblick Juni 2025

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